Ode an die 30-06

Die Idee zu diesem Blogeintrag kam mir auf dem Ansitz, als ich im noch ziemlich warmen September auf dem Hochsitz hockte und nach austretendem Rehwild Aussicht hielt. Der Hochsitz ist an einem Waldrand gelegen und bietet die Möglichkeit, ein weitläufiges Feld (für Zürcher Revierverhältnisse) zu überblicken. Meine Begleiterin auf dem Ansitz war meine Tikka T3x lite, welche ich mir noch als Jungjäger anschaffte und trotz ihrer enormen Einfach- und Schlichtheit, nie wieder missen möchte. Das Kaliber in dem ich sie führe, ist wenig verwunderlich die 30-06 Springfield.

Nun schweiften meine Gedanken so dahin und ich rätselte, von welcher Ecke her wohl nun ein Reh austreten würde. Tritt es aus dem Wald zu meiner Linken oder Rechten aus..? Das wären dann maximal 150 Meter links und 180 Meter rechts. Kommt es spitz von vorn, dann sollte ich es bereits auf cirka 300 Meter sehen, wobei die Sichtgrenze durch einen abfallenden Hügel begrenzt war, aber die gegenüberliegende Waldgrenze noch imposant hochragt. Egal woher es käme, die 30-06 ist der Aufgabe gewachsen. Mein Blick fällt auf das Zielfernrohr, ein Vortex Viper HST 4-16x44. Na, bei dieser Kombination könnte auch ein Eland auftauchen. Kein Problem ! Nungut, das Geschossgewicht meines 150grain (9.7g) schweren Barnes TTSX würde wohl nicht die gewünschte Wirkung auf derart schweres Wild bringen. Aber hey, ist es nicht fantastisch wie diese Patrone auf fast alle erdenkliche Jagdarten angepasst werden kann? Es gibt rein geschosstechnisch kein breiter abgedecktes Angebot als das Kaliber .30 beziehunsgweise .308. Auf aller Welt kann man ein Waffengeschäft betreten und findet die 30-06, meistens in den weitesten Ausführungen von verschiedensten Marken. Bevorzugt wird sie mit 150 - 220grain (9.7 - 14.2g) schweren Projektilen genutzt. Jenachdem wie der Drall der persönlichen Waffe ist, können aber auch Ausnahmelaborierungen mit 110grain (7.1g) effizient eingesetzt werden. Solche Laborierungen kommen mit hohen Geschwindigkeiten bis über die 1'000 m/s und eignen sich bestens für die Raubwildbejagung, wo eine besonders gestreckte Flugbahn gewünscht ist.

Eine GEE von gut über 200 Meter ist sehr wohl realistisch. Wenn man sich aber nun eher im Standardbereich bewegt, liegt die V0 einer 30-06 zwischen 820-900 m/s. Somit hat die 30-06 gegenüber der .308 winchester in der selben Gewichtsklasse eine gewisse Leistungsreserve und schont dennoch den Lauf. Hier kommt die Patrone auch mit etwas kürzeren Läufen zurecht und ist nicht auf Lauflängen ab 600mm angewiesen, wie es für eine der nächst grösseren Patronen, die 300 winchester magnum, wichtig wäre. Für Wiederlader lassen sich sogar ohne weiteres Laborierungen fertigen, welche auch mit den kürzesten Läufen keine allzu intensive Leistungsreduktion einbüssen. Im Bild rechts ist der Grössenunterschied zwischen einer vlr. .308 winchester, 30-06 Springfield und 300 winchester magnum klar ersichtlich. Alle drei sind grossartige Jagdpatronen und haben ihre Vorzüge. Ein erwähnenswerter Unterschied dieser dreier Patronen ist gewiss, dass es sich nur bei der .308 winchester um eine Short-Action Patrone handelt, ab 30-06 ist ein Long-Action System notwendig.

Die alte Militärpatrone hat eine enorme Erfolgsgeschichte vorzuweisen und ist mit ihrem beträchtlichen Alter noch topmodern und aktuell. Heute hat sich das etwas geändert. Nun werden hochpräzise Patronen für spezielle Einsatzmöglichkeiten entwickelt und dann ins Militär implementiert. Momentan bei der 6.5 Creedmoor zu beobachten.

Wenn Jagdwaffenhersteller wie Mauser, Tikka, Sauer und viele mehr ein neues Gewehr auf den Markt bringen, so sind sie unter anderem auch durchwegs als 30-06 erhältlich. Das sollte niemanden wundern. Keine andere Patrone kann von sich behaupten, das meiste Wild auf dieser Welt erlegt zu haben. Sie kann in heimischen Revieren Europas auf jegliches vorkommendes Wild geführt werden und ist dabei zufriedenstellend wildbretschonend. Selbst in Afrika hat sie ihre Eignung unter Beweis gestellt und wird noch heute erfolgreich auf schweres Wild geführt. Dies bis gut 300 Meter, wo sie noch immer weit über 2'000 Joule mit einem 180grain (11.6g) Geschoss ins Ziel bringt.

 

Meiner bescheidenen Meinung nach, stellt die Patrone 30-06 Springfield eine der universell einsetzbarsten Patronen dar und überzeugt durch eine hervorragende Leistung, besonders auf weite Distanzen. Ihr Rückstoss ist nicht gering, aber sehr gut zu handhaben. Ihre Verfügbarkeit ist durchs Band grossartig. Für Wiederlader ist sie im sportlichen wie auch jagdlichen Betrieb ausgezeichnet und flexibel einsetzbar.

Und wer sich nun fragt, ob ich an diesem Tag Waidmannsheil hatte, den will ich natürlich auch nicht auf die Folter spannen. Gegen das letzte Büchsenlicht hin trat auf ca. 50 Meter ein schwacher Knopfbock aus und zwar links von meinem Hochsitz. Als er inmitten des Feldes stand, rund 140 Gänge, konnte ich dem schwachen Bock eine todsichere Kugel antragen. Horrido !