Joule was?

 

Aufgrund von Gesetzgebungen und weit verbreiteten Erfahrungswerten, häufig auch als Stammtischwissen bekannt, legt der moderne Jäger viel Wert auf die kleine Tabelle hinten auf der Munitionsverpackung. Meist sucht der Blick direkt die 200m Spalte, um sicherzustellen, dass die gewählte Munition auch die so wichtigen 2000 Joule leistet. Das Gesetz schreibt dies ja schliesslich vor und ich befürworte eine gesetzestreue Haltung auf alle Fälle. Aber was sagt mir das? Was ist denn so ein Joule und was machen gleich 2000 oder mehr davon? Wer in den Genuss eines Physikkurses gekommen ist, womöglich keinen Fensterplatz hatte, dürfte dies sicherlich schon mal gehört haben. Für manche ist es vielleicht einfach schon zu lange her…

 

Also, was steckt denn nun hinter dem Begriff Joule. Joule ist die internationale Einheit für Energie. Vieles das mit Energie zu tun hat, kann in Joule berechnet und bezeichnet werden. Zur Veranschaulichung dient zum Beispiel, dass ein Joule Energie benötigt wird, um für eine Sekunde die Leistung von einem Watt zu erbringen, oder einen Körper von 2kg Gewicht auf 1m/s zu beschleunigen. Bei Geschossen sprechen wir von kinetischer Energie, welche in der Einheit Joule angegeben wird. Die kinetische Energie resultiert aus der Masse und der Geschwindigkeit des Projektils. Daraus entnehmen wir, dass die kinetische Energie von einem leichten und langsamen Geschoss geringer ist, als von einem schweren und sehr schnellen Geschoss. Da wir ein Geschoss nur während der Zeit im Lauf beschleunigen können, ist die Mündungsenergie immer auch die Grösste. Aufgrund des Luftwiderstandes wird das Projektil abgebremst und verliert an kinetischer Energie. Das Geschoss gibt also bereits im Flug einen gewissen Anteil seiner Energie an die Umgebung ab. Die Energie wandelt sich zum Beispiel in Wärmeenergie. Beim Flug erwärmt sich also das Geschoss aufgrund dieser Energieabgabe.

 

Die Auftreffenergie, also die Restenergie des Geschosses beim Aufprall auf das Ziel, sollte nach gewissen gesetzlichen Vorgaben noch einen bestimmten Wert erbringen. Diese Restenergie soll bei der Jagd einen Zweck erfüllen. Wenn das Geschoss in den Wildkörper eindringt, führt diese Energie zur Deformation des Geschosses, worauf es mehr Kraft auf das umliegende Gewebe ausübt und zu schweren Verletzungen von lebenswichtigen Organen kommt. Ein hartes Vollmantelgeschoss verfügt folglich nur über eine geringe Energieumwandlung im Zielmedium. Es behält beim Durchqueren des Körpers einen Grossteil seiner Energie und vermag diese nicht abzugeben. Es entstehen also weniger starke Verletzungen der Organe. Je nach Funktionsprinzip eines Geschosses führt die Umwandlung der kinetischen Energie zu einer Deformation oder Fragmentierung.

 

Verlässt das Projektil, nachdem es nun deformiert oder fragmentiert ist das Zielmedium, besitzt es noch immer eine gewisse verbleibende Restenergie. Es hat also nicht seine ganze kinetische Energie abgegeben. Was da schliesslich am anderen Ende herauskommt, ist für uns nicht länger von Nutzen und wird im Kugelfang schlussendlich aufgebraucht.

 

Massgebend für die Jagd sind hierbei nun die Art des Wildes, die Aufbauweise des Geschosses und das erwünschte Ergebnis. Ein Reh unterscheidet sich in seiner Masse deutlich von einem adulten Stück Schwarzwild. Beschiessen wir ein zartes Reh mit einem Querschnitt des Brustkorbes von 30cm, mit einem hochrasanten und sehr leicht deformierbaren Geschoss mit ordentlich Joule, wird die Augenblickswirkung zwar erfreulich sein, aber die Ausschusswunde auch entsprechend ausfallen. Grund dafür ist, dass das Geschoss auch nach der Durchquerung von 30cm Gewebe, eine noch immer sehr grosse Menge an Energie abgibt. Ein hartes Geschoss, welches mehr Widerstandskraft bzw. -masse verlangt, um vergleichsweise zu deformieren, hätte zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel Energie abgegeben und eine kleinere Ausschusswunde verursacht. Je nach Geschosskonstruktion hätte es dennoch genügend Schaden angerichtet, um das Reh weidmännisch zu erlegen. Bei einem grösseren Zielmedium, nehmen wir doch gleich das Schwarzwild als Beispiel, hat es genügend Masse zu durchqueren, um reichlich Energie abzugeben. In beiderlei Situationen also ein zufriedenstellendes Ergebnis.


 

Auf diesen Zeichnungen soll schematisch dargestellt werden, wie unterschiedlich Geschosse im Wild ansprechen können. Nochmals, es handelt es sich den Versuch, etwas bildlich darzustellen und es sind keine echten Aufzeichnungen von Beschussversuchen. Die linke Darstellung zeigt das Schema eines rasanten, leicht deformierbaren Geschosses. Die maximale Expansion und höchste Energieabgabe findet noch vor dem Zentrum des Wildkörpers statt, aber selbst auf Höhe A findet noch ordentlich Zerstörung statt. Der Ausschuss auf dieser Distanz würde entsprechend gross ausfallen. Bei Höhe B haben wir lediglich noch eine Kavitation von der Grösse des deformierten Geschosses.

 

 

Die rechte Darstellung zeigt ein schwerer deformierbares Geschoss. Die maximale Expansion und höchste Energieabgabe verschiebt sich in das Zentrum des Wildkörpers. Dennoch haben wir bereits auf Höhe A eine geringere Energieübertragung ausschussseitig. Durch die etwas geringer ausfallende Deformations- bzw. Fragmentierungswirkung, behält das Geschoss mehr an Masse und Energie. Somit ist das Geschoss in der Lage, wesentlich mehr Gewebe zu durchdringen und auch bei schwerem Wild einen Ausschuss zu verursachen.

 

 

Die gesetzlich verlangte Anzahl Joule ist ein Mittel zum Zweck. Es soll verhindern, dass Wild mit unzureichend starker Munition beschossen wird und unnötiges Leid verursacht wird. Ich persönlich halte dennoch wenig von der gesetzlichen Festlegung einer Mindestenergie. Ein Mindestdurchmesser des Projektils, wie es auch bereits in Anwendung ist, halte ich für ausreichend. Warum ich das so empfinde, erläutere ich gerne anhand eines kleinen Beispiels. Nehmen wir die alte Patrone im Kaliber 45-70 Government. Diese Patrone verschiesst Projektile im Kaliber .458 mit Geschossgewicht zwischen 280 – 500 grain. Die Projektile werden auf Geschwindigkeiten zwischen 400 – 650 m/s beschleunigt. Alleine der Standarddurchmesser des Projektils ist grösser als so manch aufgepilztes Teilmantelgeschoss. Beim Eindringen in das Zielmedium erbringt alleine dieser Durchmesser eine erhebliche mechanische Zerstörung und kann auch einen grossen Teil seiner Energie abgeben. Die Zerstörung von Gewebe mit einem deformierenden Teilmantelgeschoss ist entsprechend verheerend. Dennoch erreichen die meisten Laborierungen auf dem Markt nur zwischen 1400 und 1800 Joule auf 200 Meter. Somit also nicht auf Rot- und Schwarzwild zugelassen. Dass mit der Patrone 45-70 jedoch so mancher Büffel, Bison oder anderes Grosswild sehr wirksam erlegt wurde, sei jedoch nur am Rande erwähnt.

 

 

Es ist äusserst wichtig, dass sich der Jäger sowohl mit der Kaliber- und Geschosswahl intensiv auseinandersetzt. Nur weil ein Geschoss auf 200 Meter weit über 2000 Joule ins Ziel bringt, heisst das noch lange nicht, dass es dies auch umsetzen kann. Ein Beratungsgespräch mit einem Fachmann ist sehr zu empfehlen.